Leidensgeschichte

Helga Martos

Die detaillierte „Leidensgeschichte“ ist nicht wirklich interessant, es sei nur kurz gesagt, dass der immer wiederkehrende Bandscheibenvorfall nur noch durch einen operativen Eingriff zu beheben gewesen wäre. Zum vereinbarten Termin schon auf dem Schragen liegend, eröffnete mir ein grün maskierter OP-Gehilfe, dass ich auf die Warteliste gesetzt werden müsse, da ein Akutpatient jetzt Vorrang habe.

„Steh‘ auf und geh‘“, lautete also die Devise, aber wohl weiterhin mit Medikamenten, die mir nicht nur die Schmerzen nahmen, sondern auch den Verstand. Ich schleppte mich also davon, den Rat eines Arztes im Ohr, ich solle „in der Zwischenzeit“ Taiji erlernen. Dies solle sehr gut sein für den Rücken, hätte er gehört.

Von der Hoffnung getrieben, dass es da noch etwas anderes geben könnte als bewußtseinsstörende Infusionen, stinkende Bäder, Fünf-Minuten-Massagen und lustlose Heilgymnastik im Zehnerblock, machte ich mich also auf den Weg, suchte lange und fand Euer Studio, damals noch in der Babenbergerstraße. Lin war damals ein pickeliger Teenager. Ganz sicher waren es nicht nur die Räucherstäbchen und die chinesische Musik, sondern die Professionalität und Authentizität von Euch beiden, die mir noch heute das Gefühl vermitteln, in eine andere Welt zu tauchen, in meiner Oase anzukommen. Die Ruhe und Sicherheit, mit der Ihr ohne komplizierte Erklärungen Bewegung für Bewegung lehrt, ehe die einzelnen Elemente zu einer Einheit werden und „fließen“, sind meine wöchentliche Frischzellenkur geworden.

Das alles war vor 13 Jahren, und seither hat sich dank Euch viel verändert. Vorbei die Zeit, als man sich von Taiji und Qigong erzählend sogleich im esoterischen Ladl wiederfand. Vorbei die Zeit, als Akupressur als Placebo abgekanzelt wurde, und vorbei auch die Zeit, in der an der Sinnhaftigkeit einer ausgewogener Ernährung der Mief eines magenfaltigen Dogmas hing. Selbst Koryphäen wie der Zukunftsforscher (sic!) Matthias Horx trauen sich im Zuge der anstehenden Reformierung des Gesundheitswesens mittlerweile ganz offen über die enorme Bedeutung der Prävention zu schreiben...
Doch nicht nur Taiji habe ich im Studio gelernt, sondern auch viel erfahren über die Wechselwirkung von Nahrungsmitteln und Gesundheit, über Akupressur und die Anwendung von Moxa. Zu letzterem fällt mir die Geschichte ein, als Peter und ich vor einer Reise nach Kambodscha standen. Kurz vor der Abfahrt schoss mich die Hexe nicht in den Popo, sondern in die Schulter. Und zwar dermaßen, dass ich nicht einmal die Autotüre öffnen konnte. Ich war ziemlich verzweifelt, mussten wir doch unseren Rucksack schleppen. In meiner Not ging ich zu Euch. Xiufeng klopfte mir auf die Schulter, blickte mir ins panische Auge und meinte, ich solle mir keine Sorgen machen.

Noch heute erinnere ich mich mit Grauen, wie sich der Muskel unter seiner Moxazigarre wand wie eine wütende Schlange. Drei Anwendungen - und die Sache war erledigt...

Ich könnte wohl Seiten füllen über diese Jahre im Eurem Studio, ich könnte darüber erzählen, dass eine Bewegung bei Xiufeng „Hund lulu“ heißt, was noch heute die Lachmuskel der Anfänger stimuliert. Ich könnte erzählen von langsamen Spermien, abwehrenden Eiern, der babyfördernden Wirkung des Moxakrauts und einer wunderbaren Tochter, die jetzt schon neun Jahre ist. Oder von Pings Schweinshaxen-Suppe, die einen vor Hunger schreienden Säugling durch üppigen Milchfluss gerettet hat. Und und und...

Ja, lange habe ich gebraucht, um zu den wunderschön fließenden Bewegungen, Zugang zu finden, zumal ich, aus dem Leistungssport kommend, nicht daran gewöhnt war, plötzlich nicht mehr stramm zu stehen, sondern eher wie mit voller Hose. Doch die Arbeit daran hat sich gelohnt. Ach übrigens, die Bandscheibe habe ich heute noch, die Rückenschmerzen hingegen nur mehr sporadisch, und mittlerweile weiß ich auch, wie es sich anfühlt, wenn das Qi (selten, aber doch, und darauf bin ich mächtig stolz) so richtig fließt

Auch wenn ich es wahrscheinlich nie zu Meisterqualitäten bringen werde – allein den 24-Bewegungen-Kurs hab‘ ich viermal gemacht! -, so habe ich doch jedesmal auch etwas Neues dazugelernt. In Euch habe ich meine Meister gefunden und ich denke, dass es nicht viele Leute gibt, denen solches widerfährt. Euch Dank dafür von ganzem Herzen,
Eure

Helga Martos

 

 


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